Berlin (pag) – Die Zahl der Alzheimerpatientinnen und -patienten nimmt zu, gleichzeitig werden innovative Therapien erwartet, die eine besondere Betreuung der Betroffenen erforderlich machen. Ärzteorganisationen sehen dringenden politischen Handlungsbedarf und vermissen eine gesellschaftliche Debatte zu den bevorstehenden Kosten.
Die Therapiekosten seien hoch, ebenso die Anzahl derjenigen, die für diese Behandlungen infrage kommen, prognostiziert die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Damit die Patienten von den Therapien profitieren, müsse die Behandlung so früh wie möglich einsetzen. Bei den ersten kognitiven Einschränkungen sei zu klären, ob tatsächlich Alzheimer zugrunde liege. Hierfür sei eine spezialisierte Diagnostik einschließlich Nervenwasser-Untersuchung erforderlich. Zwar rechtfertigten sogenannte Lumbalpunktionen keine stationäre Aufnahme, andererseits werden sie nicht flächendeckend in den Facharztpraxen angeboten, erläutert die Fachgesellschaft. Nach der Diagnostik warten weitere Herausforderungen: eine umfassende Patientenaufklärung über die Therapien, und die spezialärztlich überwachte Infusion der Medikamente. Die DGN sieht Diagnostik und Therapie als „Stresstest“ für die ambulanten neurologischen Versorgungsstrukturen – und zwar qualitativ und quantitativ. Bei Zulassung der neuen Alzheimer-Medikamente werden nicht nur ausreichend viele Infusionsplätze in Ambulanzen, Praxen und MVZs benötigt, „sondern auch speziell geschultes und ausgebildetes Personal sowie ein entsprechendes Frühdiagnostik-Angebot mit den dafür notwendigen Labor- und Bildgebungskapazitäten“, führt DGN-Generalsekretär Prof. Peter Berlit aus. Für Dr. Klaus Gehring, Vorsitzender des Berufsverbands Deutscher Nervenärzte (BVDN), wird zukünftig eine große Herausforderung, „all diese Menschen auch in der Fläche gut zu versorgen“.
Bezahlbarkeit sicherstellen
Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft schätzt die Zahl der Demenz-Neuerkrankungen pro Jahr auf über 430.000 Fälle, etwa bei drei Vierteln aller Fälle liegt eine Alzheimer-Erkrankung zugrunde. Eine wissenschaftliche Arbeit aus 2023 rechnet vor, dass für eine Therapie mit dem Antikörper Lecanemab in 27 europäischen Ländern insgesamt 5,4 Millionen Patientinnen und Patienten infrage kommen, was zu jährlichen Therapiekosten in Höhe von 133 Milliarden Euro führen würde. Die jährlichen Therapiekosten pro Patientin/Patient werden auf knapp 25.000 Euro beziffert. In Abhängigkeit von der Zahl behandelter Patientinnen und Patienten pro Jahr würden Alzheimer-Therapeutika rasch Rang eins der verordnungsstärksten Arzneimittelgruppe belegen und noch vor den Ausgaben für Krebsmedikamente liegen. Hinzu kämen die erforderlichen Investitionen in die Versorgungsstruktur. Die DGN und die Berufsverbände sind sich daher einig: „Das sind Ausgaben, die gesamtgesellschaftlich konsentiert sein müssen und es fehlt eine öffentliche Debatte zu diesem wichtigen Thema.“ Sie sehen die Gesundheitspolitik in der Pflicht, denn es müsse geklärt werden, wie die Versorgung in der Fläche und die Bezahlbarkeit sicher gestellt werden können.