In Kürze

Gute und schlechte Gewinne

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Berlin (pag) – Medizinische Versorgungszentren (MVZ) müssen stärker reguliert werden. Das fordert der Bundesrat in einer Entschließung von der Regierung. Mittels Gesetz soll die Monopolstellung einzelner Träger verhindert und eine am Patientenwohl orientierte ambulante Versorgung gestärkt werden. Über gute und schlechte Gewinne diskutieren auch Gesundheitsökonomen, Ärzte und Medizinethiker auf einem Kongress.

Wäre der Arzt vollkommener Sachwalter des Patienten, würde er seine Entscheidungen ausschließlich am Patientenwohl orientieren, hält Gesundheitsökonom Prof. Jürgen Wasem auf dem Hauptstadtkongress fest. Dann dürfte es weder Über- noch Unterversorgung geben, was erkennbar nicht der Fall sei. Die Trennung zwischen einer heilen Welt des vollkommenen Sachverwalters und einer bösen Welt des investorenbetriebenen MVZ sei eine Illusion.

Kein System ohne Anreize

Allerdings stuft der Wissenschaftler der Universität Duisburg-Essen die Gefahr, dass von der optimalen Behandlungsstrategie abgewichen wird, bei einer investorenbetriebenen ärztlichen Einrichtung tendenziell größer ein als bei einem niedergelassenen Arzt. Limitierend wirke jedoch, dass solche Abweichungen im Zentrum gegenüber den angestellten Ärztinnen und Ärzte durchgesetzt werden müssen und auch rufschädigend wirken könnten. Wasem empfiehlt bei der Vergütung auf Mischsysteme zu setzen, um ökomische Anreize besser austarieren zu können. „Es gibt kein Vergütungssystem, das keine Anreizwirkung bewirkt.“ Außerdem sollte stärker in die Qualitätssicherung investiert werden, um ökonomisch fehlgeleitete Entscheidungen besser erkennen zu können.

Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), attestiert dem GKV-System zahlreiche Fehlanreize: Gutes ärztliches Handeln werde nicht gefördert. Ein Arzt, der sich gründlich kranken Menschen widme, werde nicht belohnt. Es bestehe daher sehr großer Reformbedarf. Zwischen guten und schlechten Gewinnen will Reinhard nicht unterschieden, sondern vielmehr zwischen Ökonomisierung und Kommerzialisierung. Letzteres sei ein deutlich weitgehender Begriff. Wesentliches Gewinnstreben dürfe nicht im Vordergrund stehen, meint der BÄK-Präsident, der jedoch einräumt, dass sich Ärzte ökonomischen Zwängen stellen müssten. Diese könnten nicht gänzlich ausgeblendet werden. „Ökonomisches Verhalten muss man von uns bis zu einem gewissen Grad erwarten können.“

Der Medizinethiker Prof. Giovanni Maio, Universität Freiburg, betont bei der Diskussionsrunde, dass die Medizin kein Gewerbe sei. Ärzte dürften daher nicht in Konstellationen arbeiten, in denen sie bei jeder Entscheidung in einen Rollen- und Zielkonflikt hineinsteuern. Vor diesem Hintergrund bezeichnet er die 20 Jahre DRG-System im Krankenhaus als einen „Kardinalfehler“. Bei einer Durchkapitalisierung ärztlicher Tätigkeit bestehe die Gefahr, dass eine gute Versorgung der Bevölkerung gar nicht mehr angestrebt werde, sondern stattdessen eine Fokussierung auf lukrative Eingriffe stattfinde. Als Beispiel für eine solche Entwicklung nennt Maio die Augenheilkunde. „Die Ausrichtung der Medizin am Wohl des Patienten darf nicht etwas Fakultatives sein“, lautet sein Fazit.