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PrEP: Potenzial mit Nebenwirkungen

Politiker nehmen zur HIV-Prophylaxe Stellung

Berlin (pag) – Die Präventionskampagnen zum Schutz gegen HIV-Infektionen waren erfolgreich. Allerdings stagniert die Zahl der Neuerkrankungen in Deutschland. Hauptvirusträger sind Männer, die Sex mit Männern haben. Seit 2016 gibt es eine neue medikamentöse Präventionsmethode, die Prä-Expositions-Prophylaxe, kurz: PrEP. Dem „Wildwuchs“ rund um PrEP will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ein strukturiertes Angebot entgegensetzen. Zur Erstattungsfrage nehmen Kordula Schulz-Asche (Bündnis90/Die Grünen) und Rudolf Henke (CDU) Stellung.

Die WHO, internationale und nationale Leitlinien sprechen sich mittlerweile für diese Art der Prävention bei Menschen mit hohem HIV-Risiko aus. Seit zwei Jahren kann hierzulande das antiretrovirale Medikament auf Rezept aus der Apotheke bezogen werden. Noch ist es eine Selbstzahlerleistung. Ob es solidarisch finanziert werden sollte, wurde in den vergangenen Monaten kontrovers diskutiert. Die Hauptkosten liegen allerdings mit rund 50 Euro monatlich nicht beim Arzneimittel. Wer PrEP einnimmt, muss sich wegen der Nebenwirkungen engmaschig ärztlich untersuchen lassen.

Der Gemeinsame Bundesausschuss, der über die Aufnahme in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung bestimmt, sah sich als nicht zuständig an. Eine medikamentöse Prophylaxe oral eingenommen ist in den Regularien nicht abgebildet, hieß es. Die Private Krankenversicherung zeigte sich ebenfalls ablehnend. In Schottland dagegen werden die Kosten seit April übernommen, zuvor sind Norwegen, Frankreich und Belgien diesen Schritt gegangen. Und jetzt zieht Deutschland nach: Im Juli hat Jens Spahn angekündigt, dass Menschen mit erhöhtem Infektionsrisiko einen gesetzlichen Anspruch auf ärztliche Beratung, Untersuchung und Arzneimittel zur Prä-Expositions-Prophylaxe erhalten. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der GKV-Spitzenverband sollen vereinbaren, welche Personen anspruchsberechtigt sind. Das Bundesgesundheitsministerium schätzt, dass PrEP etwa 10.000 Menschen in Anspruch nehmen werden. Die Wirkung der Prophylaxe will das Ministerium bis Ende 2020 evaluieren.

Mit der Prophylaxe wird die Hoffnung verbunden, HIV/Aids eines Tages ausrotten zu können. Sie ermöglicht einen selbstbestimmten Schutz vor der Krankheit, ohne darauf angewiesen zu sein, dass der Partner ein Kondom benutzt. Allerdings befürchten Kritiker, dass damit die Bereitschaft für Kondome sinkt. In der Folge würden andere Geschlechtskrankheiten wieder vermehrt übertragen.

Rudolf Henke: „Argumentationsprobleme für solidarische Finanzierung

Rudolf Henke © pag, Fiolka

PrEP ist ein vielversprechender Ansatz um HIV-Neuinfektionen einzudämmen. Das zeigen uns Zahlen aus Ländern und Städten, in denen durch den Einsatz von PrEP Rückgänge der Neuinfektionen von teilweise über 40 Prozent zu verzeichnen sind. Zudem ist es in den Hochrisikogruppen sehr akzeptiert. Die Medikation verspricht also einen Beitrag zur Bekämpfung von HIV/AIDS leisten zu können. Die PrEP darf allerdings nicht dazu führen, in der Präventionsarbeit besonders im Bereich der übrigen sexuell übertragbaren Krankheiten (STI) nachzulassen.

Bei den Überlegungen über Erstattungsansprüche sind wir dem Wirtschaftlichkeitsprinzip des SGB V verpflichtet: ausreichend, zweckmäßig, wirtschaftlich und das Maß des Notwendigen nicht überschreitend. Deshalb sehe ich Argumentationsprobleme, PrEP als Präventionsmaßnahme von der Solidargemeinschaft zu finanzieren. Anders stellt es sich für die notwendigen Begleituntersuchungen dar, die etwa die Überwachung der Nebenwirkungen von PrEP auf die Nieren und obligatorische HIV-Tests beinhalten.

Ich werbe dafür, diese Begleituntersuchungen zukünftig als Leistungsanspruch in das SGB V aufzunehmen. Dies wäre ein vielversprechender Ansatz, um die Zahl der Arzt-Patienten-Kontakte innerhalb der Hochrisikogruppen zu erhöhen, was sich in der Vergangenheit oft als schwierig erwiesen hat. In diesem Zusammenhang sollten wir auch diskutieren, ob diese Untersuchungen an ein obligatorisches STI-Screening geknüpft werden könnten.

Rudolf Henke Der Aachener Internist ist seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestags. Außerdem engagiert er sich als Präsident der Ärztekammer Nordrhein in der ärztlichen Selbstverwaltung. Henke ist außerdem erster Vorsitzender der Ärztegewerkschaft Marburger Bund. Bei der AIDS-Hilfe Nordrhein-Westfalen ist er Kuratoriumsmitglied.

Kordula Schulz-Asche: „Bei der Erstattung darf es nicht zu Ungerechtigkeiten kommen“

Kordula Schulz-Asche © pag, Fiolka

Eine kürzlich vorgestellte Studie der Universität Duisburg-Essen kam zum Schluss, dass die Zahl der PrEP-Nutzer seit ihrem Preisverfall rasant gestiegen ist. 4.500 Menschen schützen sich demnach inzwischen in Deutschland auf diese Weise vor einer HIV-Infektion. Die Entwicklung zeigt, dass die PrEP in Deutschland angekommen ist. Das ist zu begrüßen, schließlich hat das Medikament das Potenzial die Neuinfektionen signifikant zu senken. Die Einnahme ist jedoch nicht risikofrei, schließlich schützt sie nicht vor anderen Geschlechtskrankheiten. Auch kann es bei unwissentlich HIV-Infizierten bei der PrEP-Einnahme zu Resistenz-Entwicklungen kommen. Die dauerhafte Einnahme als Präventivmaßnahme kann also nur für Menschen mit hohem Infektionsrisiko und als Ergänzung zu herkömmlichen Verhütungsmethoden sinnvoll sein.

Um die PrEP ausgewählten Risikogruppen verfügbar zu machen, bedarf es jedoch passender Therapiekonzepte, in denen vor allem die Frage der Kostenübernahme geklärt sein muss. Die Behandlung kann nur in enger medizinischer Begleitung durch Spezialisten erfolgen und bedarf regelmäßiger Laboruntersuchungen, welche die gesetzliche Krankenversicherung heute noch nicht abdeckt. Eine entsprechende Änderung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) könnte hier Abhilfe schaffen. Auch die Frage der Erstattung des Medikaments selbst ist ungelöst. Hier darf es nicht zu Ungerechtigkeiten kommen, da etwa Kondome auch nicht von den Kassen übernommen werden. Diese Hürden gilt es jedoch zu bewältigen, wenn wir HIV-Neuinfektionen wirklich den Kampf ansagen wollen. Denn anders werden wir das Ziel der Vereinten Nationen, AIDS bis 2030 auszurotten, wohl nicht erreichen.

 

Kordula Schulz-Asche Von der hessischen Landespolitik wechselte die ausgebildete Krankenschwester 2013 in den Bundestag. Schulz-Asche lebte zwischenzeitlich in Afrika, wo sie für Entwicklungsorganisationen im Bereich Gesundheitsaufklärung tätig war. Bei der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit arbeitete sie im Projekt „HIV/AIDS-Bekämpfung in Entwicklungsländern“.