Heidelberg (pag) – 158.448 Euro: So viel beträgt für Europäer der „Wert eines statistischen Lebensjahres“ (Value of Statistical Life Year, VSLY). Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) haben diese Zahl ermittelt. Sie betonen insbesondere, dass das Ergebnis deutlich über den bislang international gebräuchlichen Referenzwerten liege.
Für die Berechnung haben Prof. Michael Schlander und sein Team die wirtschaftswissenschaftliche Literatur „zur impliziten oder expliziten Zahlungsbereitschaft für die Verringerung lebensverkürzender Risiken“ analysiert. Das Ergebnis ist ein internationaler Mittelwert (Median) von 164.409 Euro. Dabei bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Weltregionen: So liegt der Wert in Asien bei 43.000 Euro, in Europa bei 158.448 Euro, für Deutschland bei 173.868 Euro und in Nordamerika erreicht er sogar 271.179 Euro. Diese Wertewurden über den Vergleich der Kaufkraft in Euro umgerechnet. Für eine bessere Vergleichbarkeit rechneten die Wissenschaftler sie auf das jeweilige Bruttosozialprodukt (BIP) pro Kopf um. Auch nach dieser Normierung bleiben signifikante Unterschiede bestehen: Während Asien und Europa mit einer Zahlungsbereitschaft für ein gewonnenes Lebensjahr mit dem 5,1-fachen bzw. 5,2-fachen des BIP/Kopf etwa gleichauf liegen, sind US-Amerikaner und Kanadier bereit, das 6,9-fache für ein gewonnenes Lebensjahr zu investieren. „Wirklich zwingende Erklärungen dafür, warum Nordamerikaner mehr für ein gewonnenes Lebensjahr zu zahlen bereit sind als der Rest der Welt, haben wir nicht“, sagt Michael Schlander. Laut Studien nehme in Ländern mit einem höheren verfügbaren Einkommen die Akzeptanz höherer Gesundheitsausgaben überproportional zu.
Dem DKFZ zufolge entsprechen die Werte einem Vielfachen der in der Gesundheitsökonomie derzeit üblichen Standards: So würden in England beispielsweise im Regelfall nur 20.000 bis 30.000 Pfund angesetzt, eine viel zitierte Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation liege beim ein- bis dreifachen des BIP pro Kopf. Somit liefere die Untersuchung Hinweise darauf, dass die derzeit in vielen Ländern verwendeten Richtgrößen für den VSLY deutlich zu niedrig angesetzt sind. Schlander betont: „Unsere Ergebnisse könnten als Richtwerte dabei helfen, die Kosteneffektivität von medizinischen Leistungen zu beurteilen.“
REFERENZWERTE FÜR PREISFINDUNG
Um etwa bei der Preisfindung für Medikamente und medizinische Verfahren Grenzen setzen zu können, ist ein Referenzwert erforderlich. International wird dazu oft der sogenannte „Wert eines statistischen Lebensjahres“ herangezogen. Um die Zahlungsbereitschaft zu ermitteln, verwenden Ökonomen zwei verschiedene Ansätze. Bei den methodisch anspruchsvolleren Studien werden Menschen befragt, wie viel sie für eine Maßnahme zu zahlen bereit sind, die ihr Sterblichkeitsrisiko senkt – beispielsweise für die Anschaffung eines Airbags. Diese Methode funktioniert nur, wenn die Reduktion des Sterblichkeitsrisikos genau beziffert werden kann. Der andere Ansatz beruht auf indirekten Methoden, die Zahlungsbereitschaft wird aus beobachtetem Verhalten abgeleitet. Die Ökonomen untersuchen beispielsweise, um wie viel höher der Arbeitslohn ausfallen muss, damit Menschen eine riskantere Beschäftigung annehmen.