In Kürze

Ohne Krankenversicherung: Braucht es eine Clearingstelle?

Wiesbaden (pag) – Die Zahl der Menschen, die keine Krankenversicherung besitzen, ist in den vergangenen vier Jahren gesunken. Mit unterschiedlichen Zahlen hatte das Statistische Bundesamt allerdings eine Zeit lang Verwirrung gestiftet.

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Alle vier Jahre erhebt das Bundesamt für Statistik im Rahmen des Mikrozensus Angaben zur Krankenversicherung der Befragten. Im August teilt die Behörde mit, dass im vergangenen Jahr 143.000 Bürger über keine Krankenversicherung verfügten – trotz der zehn Jahre zuvor eingeführten Versicherungspflicht. Diese Zahl ruft umgehend Politiker von Linke und SPD auf den Plan, denn vier Jahre zuvor waren es noch 79.000 Personen gewesen. Die Zahl derjenigen, die im Krankheitsfall nur unzureichend geschützt sind, hat sich demnach fast verdoppelt. SPD-Politikerin Bärbel Bas fordert daraufhin eine „Clearingstelle“, die Betroffenen helfen solle, ihren Versicherungsstatus zu klären, sowie einen Fonds, der in der Zwischenzeit die Behandlungskosten trage. Einen Monat später korrigiert allerdings das Bundesamt seine Angaben: Tatsächlich sei die Zahl der Menschen ohne Krankenversicherung zwischen 2015 und 2019 auf 61.000 zurückgegangen. Experten gehen jedoch von einer deutlich höheren Dunkelziffer aus. „Mein Eindruck ist, dass diese Zahl zu niedrig ist“, sagt etwa Yvonne Vollmer von der Verbraucherzentrale Hamburg. So bleiben zum Beispiel Wohnungslose bei der Haushaltsbefragung außen vor.

Wer ist nicht versichert?

Der offiziellen Statistik zufolge sind fast zwei Drittel der Betroffenen Männer, besonders oft handelt es sich um Selbstständige und mithelfende Familienangehörige sowie Nichterwerbspersonen. Die meisten Betroffenen seien jedoch schon vor langer Zeit – meist aufgrund von Beitragsrückständen – aus der Versicherung ausgeschieden und lebten seither ohne den Schutz. Nach heutiger Gesetzeslage ist eine Kündigung wegen ausbleibender Beiträge nicht mehr möglich. Die Angst vor extrem hohen Schulden sei einer der Hauptgründe dafür, dass Menschen nicht mehr in die Versicherung zurückkehrten, sagt Vollmer. 2013 schaffte die Politik mit dem Beitragsschuldengesetz kurzzeitig die Möglichkeit für einen Schuldenschnitt. Seither müssen neu Versicherte die versäumten Beiträge beziehungsweise Prämien zumindest in Teilen nachzahlen – hinzu kommen die regulären monatlichen Zahlungen, die gerade in der PKV hoch ausfallen können. „Allein die Kosten für den Basistarif überschreiten oft die geringen Einkünfte“, so Vollmer. Viele Betroffene fürchteten, abhängig von staatlichen Leistungen zu werden.

Die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Prof. Claudia Schmidtke weist darauf hin, dass Krankenkassen verpflichtet sind, ehemalige Versicherte wieder aufzunehmen. „Es besteht zudem in der Regel die Möglichkeit, Ratenzahlungen zu vereinbaren oder in Härtefällen Beiträge zu stunden“, sagt sie. Damit will sich Bas nicht zufriedengeben. Es brauche „weitere Regelungen, um die Behandlung von Menschen ohne Krankenversicherung sicherzustellen“. Auch an ihrer Forderung nach einer bundesweiten Clearingstelle und einem Fonds zur Übernahme der Behandlungskosten hält sie trotz korrigierter Zahlen fest.