Berlin (pag) – Muss beim Patientenrechtegesetz nachjustiert werden? Darüber debattieren Politiker auf einer Veranstaltung des GKV-Spitzenverbandes. Insbesondere die Einrichtung eines Entschädigungsfonds für Opfer von Behandlungsfehlern stößt auf parteiübergreifende Zustimmung.
Mit der Idee, einen Härtefall- oder Entschädigungsfonds einzurichten, können sich alle Diskutanten anfreunden. „Es gibt viele Fälle, in denen man einen entstandenen Schaden nicht eindeutig klären kann“, sagt Maria Klein-Schmeink von der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Mit Mitteln aus einem Fonds könnten Betroffene entschädigt, ein „Gerechtigkeitsgefühl“ hergestellt und die Situation befriedet werden. Die Grünen schlagen eine Orientierung am Modell des Patientenentschädigungsfonds in Österreich vor, der durchschnittlich 7.000 Euro pro Fall auszahle. Diese Zahlen zugrunde gelegt, würden für Deutschland 80 Millionen Euro benötigt, so Klein-Schmeink. Auch Helga
Kühn-Mengel, SPD-Bundestagsfraktion, würde einen Fonds begrüßen, der in den Fällen einspringt, bei denen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eine Kausalität zwischen Schaden und Fehler vermutet, aber nicht zweifelsfrei belegt werden kann. „Die Entschädigungszahlungen sind für viele Menschen dann der Anlass, mit dem Ereignis abzuschließen“, betont sie. CSU-Politiker Reiner Meier hält den Fonds ebenfalls für ein „grundsätzlich richtiges Ziel“, benennt jedoch die offenen Fragen: Soll er von den Leistungserbringern oder durch Steuergelder finanziert werden? Zu welchem Zeitpunkt kommt der Fonds ins Spiel, erst nach einem Klageverfahren oder schon währenddessen?
Auch die Rolle der Krankenkassen bei einem Verdacht auf Behandlungsfehler ist bei der Veranstaltung ein Thema. Die Unterstützung der Versicherten durch ihre Kasse fällt offenbar unterschiedlich intensiv aus. Für eine deutliche Beweislastvereinfachung für die betroffenen Patienten tritt Kathrin Vogler, Bundestagsfraktion Die Linke, ein. „Wir sehen immer wieder Patienten, die trotz eines schweren Fehlers nicht zu ihrem Recht kommen“, sagt sie. Dagegen warnt Vera von Pentz, Richterin am Bundesgerichtshof und stellvertretende Vorsitzende des Arzthaftungssenats, vor unbedachten Reformen. Die Rechtsprechung habe das vom Gesetzgeber in das Patientenrechtegesetz übernommene Haftungssystem in jahrzehntelanger Detailarbeit entwickelt. Das Ziel sei eine ausgewogene Risikoverteilung und ein gerechter Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen von Ärzten und Patienten gewesen. Drehe man an einer Schraube, könne sich das an vielen Stellen auswirken und möglicherweise das gesamte System aus dem Gleichgewicht bringen. Eine auf den ersten Blick für Patienten vorteilhafte Absenkung des Beweismaßes könne sich als Pyrrhussieg darstellen. „Eine Ausweitung der Haftung birgt die Gefahr, dass Ärzte zur Risikominimierung und zur Vermeidung von Haftungsprozessen komplikationsträchtige, aber sinnvolle und erforderliche Behandlungen unterlassen, sich mit Überdiagnostik absichern, neue Wege in der Medizin gar nicht erst beschreiten oder gar den Beruf an den Nagel hängen“, so die Richterin.