Nachgefragt bei Dr. Petra Reis-Berkowicz, Hausärztin aus Bayern
Die Hausärzte fühlen sich von der Coronawelle überrollt und teilweise von den KVen im Stich gelassen. Teilen Sie den Eindruck Ihrer Kollegen?
Dr. Petra Reis-Berkowicz: Keiner von uns hat je eine Pandemie dieses Ausmaßes erlebt – auf so etwas kann man sich kaum vorbereiten. In dieser Situation müssen wir alle – Ärzte, Körperschaften, Verbände, Politik und Patienten – so gut es geht zusammenarbeiten, manchmal auch improvisieren. Von gegenseitigen Schuldzuweisungen halte ich gar nichts, die bringen uns um keinen Deut weiter. Wir stehen alle miteinander vor einer großen Herausforderung und wir versuchen, die ambulante Patientenversorgung mit den uns gegebenen Strukturen des deutschen Gesundheitswesen nach bestem Wissen und Gewissen unter maximalem Einsatz sicherzustellen. Alle KVen geben im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihr Bestes.
Die Ressource Arzt wird knapp. Funktioniert die Arbeitsteilung zwischen Haus- und Fachärzten und darüber hinaus zwischen Niedergelassenen und Krankenhäusern?
Reis-Berkowicz: Die große Welle an schwer Erkrankten und damit die größte Belastungsprobe steht uns ja noch bevor. Bislang jedenfalls klappt die Zusammenarbeit sehr gut. Jeder versucht, seinen Bereich bestmöglich auszufüllen. Für uns Hausärzte bedeutet dies, unserer Funktion als Schutzwall der Kliniken nachzukommen: Durch sorgfältige Triagierung filtern wir die Patienten heraus, die eine stationäre Behandlung benötigen, und versorgen diejenigen ambulant, bei denen das nicht der Fall ist. Auf diese Weise entlasten wir die Kliniken, damit diese sich voll und ganz auf schwer und schwerst Erkrankte konzentrieren können – übrigens ein entscheidender Vorteil unseres sektoralen Gesundheitssystems, der in anderen Ländern nicht gegeben ist.
Statt der üblichen Grabenkämpfe erlebt das System bisher unbekannte Kooperationsformen – lässt sich das in die Zeit nach dem Krisenmodus hinüberretten?
Reis-Berkowicz: Ich denke, die Zeit der Grabenkämpfe haben wir längst hinter uns gelassen – schon lange, bevor Covid-19 Thema war. Das wird jetzt ganz deutlich, man spürt einen großen Zusammenhalt in der Ärzteschaft. Wir haben in den zurückliegenden Jahren über Sektoren und Fachbereiche hinweg zu einer konstruktiven Zusammenarbeit gefunden, und das zahlt sich jetzt aus. Welche Modi der Zusammenarbeit sich nun neu ergeben und ob sie sich auf Dauer bewähren und erhalten bleiben, wird man rückblickend sehen müssen. Jedenfalls werden das Virus, Covid-19 und die Erfahrungen aus dieser Krise in vielen Bereichen zu einem Umdenken führen. Wir alle werden aus der Krise anders herausgehen, als wir hineingegangen sind.
Zur Person:
Dr. Petra Reis-Berkowicz ist Vorsitzende der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Auch bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns hat die Hausärztin dieses Amt inne. Reis-Berkowicz ist zudem stellvertretende Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbandes.
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