Berlin (pag) – Allein in Deutschland sind rund 60 Prozent der Senioren wegen drei oder mehr chronischer Erkrankungen in Behandlung. Ihre Therapie ist besonders herausfordernd, insbesondere wenn psychische und körperliche Erkrankungen vorliegen. Die notwendige Zusammenarbeit verschiedenen Experten wird oftmals durch technische Hürden verhindert. Das europäische ESCAPE-Projekt will deshalb die Behandlung multimorbider Patienten grundlegend verändern.
Das Ziel von ESCAPE: ein integrierter und patientenzentrierter Ansatz. Das multidisziplinäre Projektteam wird daher individuelle Behandlungspläne erstellen, die auf die Bedürfnisse und Vorlieben der einzelnen Patienten zugeschnitten sind. Unterstützt wird es dabei von einer maßgeschneiderten digitale Gesundheitsplattform, die vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnologie entwickelt wird. Die Plattform und regelmäßige telefonische Unterstützung sollen Patienten und pflegende Angehörige in die Lage versetzen, individuelle Prioritäten für ihre Behandlungen zu setzen, um ihre Lebensqualität so weit wie möglich zu verbessern.
Die Studie konzentriert sich auf Patientinnen und Patienten mit chronischer Herzschwäche, psychischer Belastung und mindestens zwei weiteren körperlichen Begleiterkrankungen. Die Ergebnisse des neuen Ansatzes werden mit der aktuellen Patientenversorgung verglichen. Die Wissenschaftler wollen so herausfinden, welcher Ansatz zu der besten gesundheitsbezogenen Lebensqualität führt. Für Prof. Christoph Herrmann-Lingen, Universitätsmedizin Göttingen, hat ESCAPE das Potenzial, die Art und Weise, wie multimorbide ältere Patienten behandelt werden, „grundlegend zu verändern“. Er ist überzeugt, dass der Ansatz des Projektes, der gleichermaßen körperliche und psychische Krankheitsaspekte ins Auge fasst, eine effektivere und zugleich kostengünstige Behandlung ermögliche, die außerdem zu einer besseren Lebensqualität führt.
ESCAPE steht für „Evaluation of patient-centred biopsychosocial blendend collaborative care path-way for the treatment of multi-morbid elderly patients”. In dem Projekt haben sich internationale Expertinnen und Experten aus Belgien, Dänemark, Deutschland, Irland, Italien, Litauen, Schweden und Ungarn zusammengeschlossen. Das Team besteht aus Allgemein- und Krankenhausärzten sowie Experten aus Psychologie, Gesundheitsökonomie und Digitalisierung von Gesundheitssystemen sowie aus Vertretern von Patienten und pflegenden Angehörigen. Gefördert wird das Projekt mit 6,1 Millionen Euro durch das Programm „Horizon 2020“ der Europäischen Union. Es ist am 1. April 2021 gestartet und hat eine Laufzeit von 4,5 Jahren.